IHK rät von Steuererhöhungen in Nettetal ab

IHK rät von Steuererhöhungen in Nettetal ab
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Stand: 04.12.2023

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein warnt in einer Stellungnahme an Bürgermeister Christian Küsters vor Steuererhöhungen in Nettetal. Laut der Verwaltungsvorlage für den Finanzausschuss am Dienstag soll der Gewerbesteuerhebesatz von 410 auf 440 Punkte und der Hebesatz der Grundsteuer B von 450 auf 490 Punkte erhöht werden. „Für unsere Mitgliedsunternehmen bedeutet dies deutliche Mehrbelastungen in ohnehin bereits schweren Zeiten. Wir raten dringend von diesem Schritt ab“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz.

Durch den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst, die hohe Inflation, die Zinserhöhungen und die große Zahl Geflüchteter müssen zurzeit wesentlich höhere Ausgaben geschultert werden. Für das kommende Jahr ist mit einer deutlichen Steigerung zu rechnen. Und die Lage der Kommunalfinanzen in Nettetal ist kritisch: Der Haushaltsplanentwurf der Stadt Nettetal für das Jahr 2024 sieht ein Minus von knapp 13 Millionen Euro vor, auch für die kommenden Jahre weist die mittelfristige Finanzplanung Defizite zwischen fünf und sieben Millionen Euro aus. „Deswegen ist es aus unserer Sicht nun an der Zeit für deutliche Konsolidierungsbestrebungen“, fordert Steinmetz. „Politik und Verwaltung sollten sich aufgrund der kritischen Haushaltslage auf ein freiwilliges und ganzheitliches Haushaltskonsolidierungskonzept einigen, das auf der Ausgabenseite ansetzt.“

Die Probleme des Haushalts liegen aus Sicht der IHK insbesondere auf der Ausgabenseite. Daten von IT.NRW zeigen: Die Auszahlungen der Stadt Nettetal sind von 2017 bis 2022 stärker gestiegen als bei den kreisangehörigen Kommunen am Mittleren Niederrhein im Durchschnitt. Von den Auszahlungsarten waren etwa die Steigerungen der Ausgaben für Sach- und Dienstleistungen überdurchschnittlich hoch (Nettetal: +37 Prozent, alle kreisangehörigen Kommunen: +27 Prozent). „Wir stimmen zwar mit der Verwaltung überein, dass sich auch Bund und Land stärker um die Kommunalfinanzen kümmern müssen. Die Daten von IT.NRW sind aber ein Indiz dafür, dass die Schieflage der Kommunalfinanzen in Nettetal zum Teil auch hausgemacht ist“, erklärt Steinmetz.

In der Stellungnahme zeigt die IHK auf, dass sich Gewerbesteuereinnahmen in Nettetal zuletzt dynamisch entwickelt haben. Sie haben sich auch deutlich besser entwickelt als in Nordrhein-Westfalen im Schnitt. Die Steuerkraft je Einwohner in Nettetal liegt zwar noch unter dem NRW-Wert, sie ist jedoch dementsprechend in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als in Nordrhein-Westfalen. „Diese positive Entwicklung geht auch einher mit der positiven Beschäftigungsentwicklung in den vergangenen Jahren, die wir bei der Vorstellung unserer IHK-Standortanalyse herausgearbeitet haben – beides sind die Ergebnisse der erfolgreichen Entwicklung des Gewerbegebiets Nettetal-West“, so Steinmetz. Die Übernahme der Vermarktung durch die Stadt Nettetal hatte zu einigen erfreulichen Neuansiedlungen geführt. Die IHK hofft, dass die noch im Flächennutzungsplan verfügbaren Reserven für den Gewerbepark in verbindliches Baurecht umgewandelt werden. „Dies wird sich weiter positiv auf die Gewerbesteuererträge auswirken“, sagt Steinmetz und warnt: „Je höher der Gewerbesteuerhebesatz jetzt allerdings steigt, desto unwahrscheinlicher ist es, dass Nettetal weitere steuerstarke Unternehmen anlockt.“

Bisher hatte die Stadt Nettetal den günstigsten Gewerbesteuerhebesatz am Mittleren Niederrhein. Mit 440 Punkten wäre der Gewerbesteuerhebesatz aus Sicht der IHK kein Standortvorteil mehr. Außerhalb von Nordrhein-Westfalen liegt im Jahr 2023 der durchschnittliche (gewichtete) Gewerbesteuerhebesatz in Kommunen mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern bei 387 Punkten. „Die Erhöhung von 410 auf 440 Punkte würde dementsprechend die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts bei der Ansiedlung von steuerstarken Unternehmen deutlich verringern. Und auch für die Nettetaler Unternehmen würde sich mit der Gewerbesteuererhöhung die Wettbewerbsposition gegenüber Mitbewerbern aus dem übrigen Bundesgebiet verschlechtern“, so Steinmetz. Die Wirtschaft befinde sich laut IHK schließlich unter einem enormen Transformationsdruck. Die Steuererhöhungen würden das Investitionspotenzial der Nettetaler Betriebe schwächen.

Bei der Grundsteuer B liegt der durchschnittliche Hebesatz in Kommunen mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern außerhalb Nordrhein-Westfalens nach Berechnungen der IHK bei 433 Punkten. „Auch die Grundsteuerzahler würden bei einer Erhöhung auf 490 Punkte deutlich stärker belastet als Grundsteuerzahler in vergleichbaren Kommunen außerhalb Nordrhein-Westfalens“, so Steinmetz.

Steinmetz erklärt zudem, dass die Erhöhung in einer für die IHK-Mitgliedsbetriebe kritischen Phase erfolgt. „Die regionale Konjunktur lahmt. Unser Konjunkturbarometer Rheinland zeigt, dass insbesondere Branchen, die für Nettetal wichtig sind, problematische Werte melden“, betont der IHK-Hauptgeschäftsführer. Das Verkehrsgewerbe, die Metallindustrie und der Großhandel machen knapp 20 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Nettetal aus: Bei all diesen Branchen ist die Geschäftslage mehrheitlich negativ, und die Erwartungen sind pessimistischer als in der Gesamtwirtschaft.